Speed Twin

  • #12


    Die Z900RS ist bis zur Gürtellinie retro, unterhalb davon ein modernes Naked Bike. Ich bin sie im vergangenen Frühsommer mal gefahren. Ich hatte auch gar nicht so sehr auf das Styling geachtet, sondern viel mehr auf das Fahrverhalten, und das war tadellos. der Motor ist Kawa-typisch ein eher rauer, heiserer Geselle, und für einen Reihenvierer hat er ordentlich Schmackes von unten raus. Das Gas liegt beim kleinsten Zucken an, trotzdem weich, es schiebt mit Power volle Fahrt voraus, dabei gut kontrollierbar. Leichtes aber nicht wirklich störendes Lastwechselverhalten. Fahrwerk ist super, sehr austariert. Sehr entspannte Sitzposition mit überraschend offenem Kniewinkel bzw. tief positionierten Rasten (die aber noch genug Spielraum für genussvolles Umlegen bieten). Bremserei ist absolut top! Sitzhöhe 835 mm und trotzdem auch für einen mittelgroßen Typen wie mich (174 cm) gut zu handeln.
    In der Summe ein tolles Fahrerlebnis, sehr zu empfehlen auch für Leute, die gern etwas zackiger unterwegs sind und mit dem Transformerschwestermodell nicht warm werden können. Ihren fast ausschließlich positiven Fahreigenschaften und ihrem tollen Look zufolge verkaufte sie sich in D bis Oktober dieses Jahres 1459mal, ein ordentlicher Wert im Ranking, Platz 12 der Top 50 Verkaufscharts.


    Vor der Probefahrt dachte ich, das wird sie! - meine nächste. Aber wenn man ehrlich gegenüber sich selbst ist, zerrt man besser auch die Dinge in den Spot, die man so am Rande wahrgenommen hat. Der designte Sound sollte einem dauerhaft gefallen, er ist nämlich von Natur aus laut und auch etwas penetrant. Klingt rattenscharf, lässt einen jedoch andauernd zur Attacke blasen. So was muss man mögen und wollen. Da hatte ich meine ersten Bedenken. Zweitens, die Zettie wirkt aus der Nähe nicht so hochwertig wie eine CB1100, sie ist auch filigraner (215 kg vollgetankt), der Motor ist ein modernes Konzept und zeigt das nach außen. Dagegen wirkt die CB wie ein Monolith. Drittens, der Neupreis war mir persönlich trotz zusätzlicher Gadgets (Traktionskontrolle, Fahrmodi) zu hoch angesetzt (wobei der an sich natürlich gerechtfertigt ist).


    Objektiv ist die CB RS für mich das stimmigere und bessere Fahrzeug in den meisten Belangen. Für mich am Wichtigsten, sie hat den kultivierteren Motor, eine Sitzposition die mir mehr zusagt und ein Fahrwerk, dass ich besser finde (ungeachtet der technischen Feinheiten). Sie hat wie gesagt das bessere Finish.


    Kawasaki hat genau gewusst, was sie da mit der Z900RS auf die Beine stellen. Als ich die ersten Bilder von ihr gesehen habe, dachte ich: Die schlägt ein wie ne Bombe! Der Wow-Effekt hat angehalten bis zum ersten physischen Kontakt und auch darüber hinaus. Den Verkaufserfolg kann ich nachvollziehen. Demnach potenzielle Kunden der CB1100 in der Regel auch keine Chance geben. Bei mir lag das anders. Ich bin nach der Probefahrt abgestiegen, geflasht, aber auf dem Heimweg war mich eigentlich schon klar, dass mir die CB viel besser in den Kram passt.


    Gruß
    Jörg

  • #13

    Gebe es unumwunden zu, bin ein ewig Gestriger, a yesterdayman, Motorräder können nicht hübsch genug aussehen, luftgekühlt daherkommen und die Seele verzaubern. Beim Fahren, beim Ansehen.


    Das, was Kawa da gebracht hat, eine Kiste aus dem Regal leicht retromäßig anzuhippen und sie danach in die Linie mit dem Monument Z900 zu stellen, ist es für mich einfach nicht.


    In dieser Hinsicht verfuhr Honda weitaus konsequenter und verpasste der CB deutlich mehr Anleihen an ihre gloreiche Four allein schon durch die Luftkühlung.
    Die hat mich letztlich gecacht. Viele Nachahmer wird es auf dem Weg hin zur reichenweitenbegrenzten, pragmatischen und seelenlosen E-Mobilität auf 2 Rädern bei InLineFours nicht mehr geben, wenn überhaupt noch einen. Deswegen treffen sich hier Liebhaber dieser eigentlich schon durch Wasserkocher aus dem Rennen geworfenen Oldschooltechnik.


    Wisedrum

    2 Mal editiert, zuletzt von Wisedrum ()

  • #15

    Also ich finde es sehr angenehm, dass einige Hersteller sich auf klassische Designelemente besinnen anstatt zu versuchen irgendwelche bösen Insekten oder Star Wars Raumgleiter zu imitieren. Und sie verwerten ja nur die Stilelemente, welche schon immer als ästhetisch galten. Es gab ja auch in alten Zeiten fürchterliche Designversuche über die gerne für immer das Mäntelchen des Schweigens gebreitet werden darf ;)
    Dass klassische Stilelemente mit brandaktueller Technik kombiniert werden und man das auch sehen darf halte ich erst mal für legitim. Mir kommt es auch gar nicht drauf an dass ein altes Motorrad originalgetreu nachgebildet wird, es soll mir gefallen, mehr nicht.


    Und wassergekühlte Motoren können doch auch gut aussehen, z. B. die Motoren einer Transalp 650 oder Honda CB1300 sind für meine Begriffe regelrechte Skulpturen. Und da die technische Notwendigkeit von Wasserkühlung im modernen Motorenbau auf der Hand liegt fällt das für mich unter "form follows function", was übrigens schon immer ein guter Ratgeber für schlüssiges Design war.

    Viele Grüße - Stefan

    Einmal editiert, zuletzt von Tea Bee ()

  • #16


    Das kann ich absolut nachvollziehen. Ich bin in manchen Dingen auch sehr der Vergangenheit verhaftet, in der Kunst, der Literatur, der Musik, in technischen Dingen, im Design etc., da betreibe ich Rosinenpickerei. Schau Dir mal meinen Tumblr-Blog an, die Bildersammlung dürfte für sich sprechen:


    https://crypterionworld.tumblr.com/archive



    Für mich letztendlich auch nicht. Aber dieses Konzept ist für eine nähere, vielleicht auch etwas weiter voraus liegende Zukunft realisiert worden, in der luftgekühlte Motoren keinen Platz mehr haben werden.
    "Retro" betrifft hier wirklich nur die Formensprache und geht nicht in die Tiefe. Das zum einen. Zum anderen muss man sich einen Ansatz, wie er mit der CB1100RS/EX verfolgt wird, erstmal leisten können. Honda kann das. Wahrscheinlich wurden die Entwicklungs- und Produktionskosten der paar tausend Einheiten, die von der 1100er bisher verkauft wurden, aus der Portokasse bezahlt. Übertrieben gesagt. Eine Liebhaberei, sehr zu unserem Glück und Vergnügen.



    Der Verbrennungsmotor wird's noch einige Jahrzehnte machen, parallel zur Elektromobilität und weiteren alternativen Technologien. Aber er wird sich weiterhin verändern, effizienter werden, sich gegen zukünftige Regularien wappnen müssen. Die Luftkühlung wird dann unter den Bestandsschutz fallen, zwangsweise. Könnte sein, das Betreiben eines Verbrennungsmotors wird sich zu einem teueren Vergnügen entwickeln, zu einem Luxus. Aber bis dahin - bis die E-Mobilität dereinst erschwinglich und durchgehend alltagstauglich geworden ist - wird es noch eine ganze Weile dauern.
    Bin mal gespannt, wann Honda den Luftgekühlten zu den Akten legen wird.
    Nachahmer ... nicht beim Reihenvierer, glaube ich. Aber es gibt doch noch ein paar Modelle diverser Marken, die auf Luftkühlung setzen, Ducati z.B. mit den Scramblern.



    Na ja, so wirklich und zur Gänze old school ist der Big Block der 1100er heuer auch nicht mehr. Aber für mich ist er in seiner Arbeits-/Funktionsweise immer noch faszinierend genug. Wie der Trumm da so im Rahmen steckt bzw. zu beiden Seiten herausschaut, das macht mich mächtig an. Noch besser wird's im Betrieb und in der Bewegung. Ich habe einmal den Fehler begangen, eine CB wieder herzugeben. Ein zweites Mal wird mir das nicht passieren.


    Gruß
    Jörg

  • #17


    Für geraume Zeit galten klassische Formen im Motorradbau als altbacken, leider. Aber, alles kommt irgendwann in irgendeinem Zusammenhang wieder, meist fragmentarisch, seltener am Stück. Dahinter steht oft eine jüngere Generation, die das Alte für sich neu entdeckt. Man mag z.B. die "Hipster" belächeln, aber gerade dieses globale Szene-Phänomen hatte und hat einen nicht unerheblichen Einfluss, Stichworte »retro«, »heritage«, »vintage«. Junge Leute, die sich mit antiquierter Motorradtechnik auseinandersetzen und selbige zum Kult erheben. Für die einen ein Graus, für andere eine Quelle der Inspiration. Ohne eine solche Szene gäbe es keine Z900RS, keine XSR, keine Vitpilen, Triumph müsste seine Jahresproduktion um eine Potenz zurückfahren, der Vorwärtsmarsch von Royal Enfield wäre vorzeitig zum Erliegen gekommen, Moto Guzzi ginge es ebenfalls erheblich schlechter. Stattdessen treten auch die Kleinen wieder an, wie z.B. Fantic mit ihrer überaus reizvollen Caballero 500.



    Ganz meine Meinung. Mit der Wasserkühlung der Speed Twin hätte ich denn auch kein Problem. Eher mit dem komischen bunten Elementen der Rundinstrumente, die mich irgendwie an einen Flipperautomaten erinnern, mit dem stumpf aufgesetzten Tankdeckel, dem Dellentank, der um ein Jahrzehnt zeitversetzt wirkt, die sträflich unscheinbaren Stereofederbeine. Die Lackvariationen sind auch nicht gerade der Brüller, und Faltenbälge sind für mich ein No-Go. Allgemein gefällt mir die Designsprache der 60er nicht sonderlich. Aber auch haptisch müssen sich die Bonnevilles den CBs geschlagen geben.




    ich finde das Motordesign der CB1300 eines der besten! Mir gefallen auch die sichtbaren Motorenelemente einer Kawasaki Z800/Z1000, einer Triumph Tiger Sport, der neuen CB 650 r, der GSX-S 750 ziemlich gut, um mal ein paar aktuellere zu nennen.



    Gruß
    Jörg

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