Zitat von Ulljanrich
Ich fahre jetzt erst seit rund 1500km mit meiner CB 1100 RS und wenn man sich nicht scheut, mit warmgefahrenen Motor auch mal am Gashahn zu drehen und etwas herunterzuschalten, dann geht da schon beeindruckend was, finde ich. Bei der CB 1100 RS ist mir aber etwas aufgefallen, das mich überrascht hat: sie gibt mir das Gefühl der hohen Geschwindigkeit ungefiltert weiter, d.h., der sich mühenden Motor ist wahrnehmbar, und damit stellt sich ein realitätsnahes Bild der Situation ein: "Hey, ich fahre 120km/h, und der Motor schafft ganz schön heftig!"
Bin davor eine Guzzi V9 gefahren, da war leider etwas zu früh Schluß mit dem Hub (wobei der Druck der NM bis zum frühen Leistungs-Ende wirklich immer stark war), dann bin ich eine R9T BMW gefahren, und da war jede Entspannung dahin, weil einmal Gas gegeben das Krad gleich auf 120, 130, 140km/h stand. Das fühlte sich aber so mühelos an, dass die eigentlich bestehende Situation des Schnellseins nur noch rational im Hirn wahrnehmbar war, dem Motor machte das keinerlei Mühe, der hätte wohl bis 220km/h weiter beschleunigt
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Bisher 14600 Kilometer mit der RS, und ich kann Deine Eindrücke nur bestätigen. Mit der RS geht auch ein wenig Sport, aber man erfährt die Grenzen ziemlich schnell und deutlich. Ein, zwei Gänge runtersteppen und den Hahn aufmachen ... nicht, dass man damit am Drehzahllimit landen würde, aber das muss man auch nicht, um den Bären aufzuwecken. Wenn das passiert, kann man sich schnell in der Rolle des Dompteurs wiederfinden, und dann weiß man besser, was man tut ...
... denn auf einmal sind rund 90 PS und knapp 90 NM gar nicht mehr so mittelmäßig, und fünf Zentner sind fünf Zentner. Ein Vorteil ist tatsächlich, dass man diese Kraftentfaltung, wenn man den Bogen raus hat, sehr gut kontrollieren und einsetzen kann, und dazu muss man nicht unbedingt so besonders schnell fahren. Der Wohlfühlbereich dieses Motors liegt meiner Erfahrung nach zwischen 90 u. 110 km/h, aber das fühlt sich in den Gängen 3-6 höchst unterschiedlich an und bietet eine nette Bandbreite zwischen flottem Cruisen und ambitionierter Kurventaktik. Wenn man die kräftige Motorbremse mitspielen lässt, kann man zudem die Vorderradbremserei auf ein Minimum reduzieren. Das zusammengenommen sorgt für ein flüssiges Vorwärtskommen.
Der Vierzylinder der CB ist ein sehr zivilisierter und transparenter Vertreter seiner Art, vermutlich auch der ausgewogenste, und das bedeutet für mich, dass er sich auch im Drehzahlkeller benimmt wie ein Gentleman und am anderen Ende des Spektrums dezent auf seine guten Manieren aufmerksam macht - über die Strenge schlagen ist nicht sein Ding. Die Dinge von Belang passieren vielmehr in der goldenen Mitte, und das ohne überflüssige Protzerei.
Ich bin die RS bisher zwei- oder dreimal bis in den Begrenzer gefahren, Autobahn, 6. Gang. Der Weg dorthin ist beschleunigungsmäßig ein recht kurzer. Man könnte das auch allein mit dem 3. Gang erledigen (dann wäre man noch schneller am Limit), aber allein der Gedanke daran bereitet mir etwas Unbehagen. Und außerdem, 180 km/h fühlen sich auf der RS verdammt schnell an. Wobei ich nicht den Eindruck habe, dass der Motor sich jenseits der 100 km/h bemüht anhört, eher so, als würde er gerade mal aufwachen und sich an die Arbeit begeben.
Aber Du hast Recht, die Entspannung geht jenseits des motorischen Wohlfühlbereichs in ein direktes und irgendwie realitätsnahes Geschwindigkeitsempfinden über. So ab 120 km/h versiegt der Spaß allmählich, null Windschutz, es bläst einem mächtig ins Gesicht. Auch stellt sich - zumindest auf meiner Maschine - eine leichte aber spürbare Instabilität des Vorderrads ein. Warum das so ist, habe ich noch nicht herausgefunden. Auch zeigt die RS beim Kurvenbremsen in höheren Geschwindigkeiten ein nicht zu unterschätzendes Aufstellmoment. Bei schnell gefahrenen, lang gezogenen Schräglagen muss man sich auf ein unruhiges Heck einstellen. Bei suboptimalem Straßenbelag sollte man das besser unterlassen. Aber da sind genügend Warnsignale vorhanden, da kann man sich leicht ans Machbare herantasten. Das alles nur für den Fall, wenn man es mal fliegen lassen will.
Gruß
Jörg