Ich bin heiß auf eine Kette, die man nicht ölen muss und die sich nicht längt, die weder einen automatischen Oiler benötigt noch verstärkte Aufmerksamkeit bei Regen oder bei draußen geparkten Fahrzeugen.
Ob man eine herkömmliche Kette technisch und wartungsmäßig beherrschen kann, ist für mich hier gar nicht die Frage, denn das ist ja vieltausendfach erwiesen, dass es geht.
Eine wartungsfreie Kette stellte eine eindeutige und weitreichende technische Verbesserung dar, so es denn so kommt und die Werbeversprechen eingelöst werden. Jenseits jeder Schrauberromantik scheint es mir eine leichte Rechnung zu sagen: wenn ein Wartungselement entfällt, bei gleicher Standzeit, oder bei zumindest ähnlicher Standzeit, bei zugleich weiteren technischen Vorteilen (keine Längung der Kette zum Ende der Standzeit, kein unbeabsichtigtes Trockenlaufen, kein nachfetten bei Regenfahrten, etc.), dann ist das ein Gewinn und ein erfreulicher Fortschritt - für den man nicht optieren muss, den man nicht annehmen muss, dem man aber seine Fortschrittlichkeit nicht wirklich in Abrede stellen kann.
Schrauberromantik ist etwas Schönes, doch sie ist nicht immer mit technischem Fortschritt in Einklang zu bringen.
Man muss diese beiden Dinge nicht gegeneinander aufwiegen, das erbringt nichts. Müsste man es, dürfte es keine Freude am Klassischen geben, keinen Oldtimer usw. Kettenpflege ist schön, doch für manche ist der Wegfall derselben einfach schöner.
N.B. Ich schraube selbst gerne und viel, versuche so weit möglich alles selbst zu machen und habe Freude daran.
Just beim Thema Kette aber trifft das dann nicht mehr zu, wenn es nicht länger sein muss.
Ja: die evtl. höheren Kosten sind mir das aber allemal wert!
Ich habe vor der CB 1100 RS zwei Motorräder mit einem Kardanantrieb gefahren (BMW und Moto Guzzi). Den Vesparoller mit seiner Triebsatzschwinge erwähne ich nicht extra, aber auch der hat keine Kette, die ständig aufmerksam gewartetet oder geprüft werden musste. Ich bin also nie eine Kette gewohnt gewesen, bevor die Honda kam.
Daher bin ich eben auch der Meinung, zu ölende Ketten sind zumindest "nostalgisch", der staunende BMW Fahrer hat da schon recht.
Gleichwohl habe ich das in Kauf genommen, weil mir die anderen Vorzüge der CB 1100 das erleichtert haben.
Ich erlebe dieses Motorrad aber auch nicht als "Retro", sondern als nicht überzüchtetes, zeitgemäßes Motorrad mit genuin, nicht pseudohafter sportlicher Note. Ich war nie auf der Suche nach "Retro", auch nicht nach Kettenpflege. Und sportlich fängt bei mir nicht erst ab 200km oder 200 PS an, es muss keinen Lärm machen und km/h-Begrenzungen nicht überschreiten, und es muss auch nicht posen. Es ist einfach schön und ein kleiner, in seinen risiken wohlfeil bedachter Mikrothriller, der den Alltag würzt. Das geht mir der RS, das ist das Gen der RS, das hat Honda genau richtig gemacht. Nicht jeder mag oder kann das so sehen, macht nichts, der Pythagoras hängt nicht von Zustimmung ab.
Das einzige "echte" Retro an der CB ist die Kette.
Meine Begeisterung über die Ankündigung dieser neuartigen Kette hat neben der Freude an dem rein technischen Fortschritt nämlich auch noch ein zweiten Grund. Der Zugang zum Ölen der Kette an der CB 1100 RS ist eine Katastrophe. Man kommt durch den seitlichen Kettenschutz praktisch nur in einem halb-liegenden Zustand dort hin, wo man das Kettenfett bringen muss. Der Hauptständer ermöglicht noch kein bequemes Arbeiten, eine Hebebühne wäre vermutlich eine spürbare Erleichterung. Doch wer hat dafür auch noch Platz? Die Wenigsten. Wenn man dann noch diesen praktischen Spritzschutz an der Dose von S100 mit dem weißen Kettenfett hat, bedeutet das mittlere Verrenkungen. Es ist ein kleiner Bereich von wenigen cm, wo man damit überhaupt hinkommt an die Kette. Und wehe, man hält die Dose dann nicht exakt richtig...
Und auch hier gilt: "Du kannst schütteln, Du kannst klopfen, daneben geht er doch, der ein oder andere Tropfen." Leider.
Kann sein, dass ich ich nicht der Beweglichste bin, aber ich empfinde diesen Akt der Kettenpflege an der CB RS als Zumutung, und er hat mich jedes Mal geärgert. Eigentlich halte ich die Zugänglichkeit zur Kettenpflege sogar für eine Fehlkonstruktion an der RS. Man soll ja in die Kette hineinfetten, und nicht von außen auf sie drauf. Was haben sich die Konstrukteure gedacht dabei? Dass das BMW-Volk da lacht - nachvollziehbar.
Die ganze Zerrung fiele weg mit einer wartunsgfreien Kette und brächte die techische Leistung und den Komfort eines Kardans, wäre dabei einem Riemen evtl. sogar überlegen.
Ich empfinde diese Ankündigung als die Nachricht des bisherigen Motorradjahres und freue mich wie auf Weihnachten und Ostern zusammen darüber. Das einzig echte Ärgernis, das ich an meiner Honda habe, scheint bald zu entfallen. Einfach klasse. Für den Alltagsfahrer dürfte sich diese Technik durchsetzen und sobald sie sich herumgesprochen hat sogar jenen, die aus den genannten Gründen nur Kardan kauften, zu Denken geben, Scotoiler & Co. würden dann weniger Argumente für ihr Produkt haben, obwohl sie erstklassig funktionieren. So ist das halt mit dem Fortschritt.