Hallo.
Also abgesehen vom Vorwurf der Bevormundung möchte ich kurz in die Diskussion werfen, dass es auch möglich ist, dass in der Entwicklung einfach die Vorgaben für die CB1100 andere waren, als eine Ü230kmh Maschine zu bauen.
Abriegelungen haben im Automobil- und auch Motorradsektor oft den Grund, dass zwar der Antriebsstrang bei mehr mithalten würde, aber das Fahrwerk nicht mehr verträgt.
Nehmen wir mal unsere hübsche CB her:
* Anstellwinkel der Frontgabel eher flach
* Klassischer (nicht besonders steif ausgelegter) Stahlrohrrahmen
* Klassische gerade (und nicht überdimensionierte) Kastenschwinge hinten
* Sehr weit nach vorne gelagerter und sauschwerer und breiter und tief positionierter Motor
* Nur einfaches ABS
* Einfache Doppelstossdämpfer hinten
*...
Der Steckbrief für einen modernen Kampfhobel sieht anders aus...
Aber genau das war mMn auch nicht der Steckbrief für die Wuchtbrumme.
* Klassisches Rahmendesign ohne Abstriche
* Klassischer Lufti-Vierender (der auch optisch jeden Klassikfan begeistert)
* "Nur" das must-have an Helferlein für die Homologation
* Aufrechte klassische Sitzposition
* Fahrwerk in allen Belangen klassisch proportioniert (einfach stimmige Optik)
* Fahrgefühl den "guten alten Klassikern" angenähert
UND das haben sie zu 100% und perfekt umgesetzt.
Entwicklungsbudgets sind endlich, und wenn die Konzernzentrale ein klassisches Bike haben will, den Designentwurf abnickt, das Fahrwerksteam aber sagt: Mit dem Entwurf läuft das Ding nur bis 190 stabil, dann ziehen die noch ein bisschen von der Geschwindigkeit ab als Risikopolster und dann kommt das Kommando: Drosseln auf 180!
Man kann die eierlegende Wollmilch-Sau entwickeln, aber dann muss man als Hersteller auch 2Mio Stück absetzen, um die Entwicklungskosten rein zu holen (die Zeiten waren aber nach 2008 im Automotive bereits vorbei). Und aus Erfahrung kann ich sagen: Ab gewissen Geschwindigkeitsbereichen muss man das Entwicklungsbudget um 30% aufstocken, um von 220kmh auf 250kmh trotzdem noch ein stabiles Fahrwerk hin zu bekommen (sprich: Reine Opportunitätsrechnung der Entwickler und des Salesteams)
In diesen ganzen Beiträgen hier im Thread gabs einen Satz, der grundsätzlich stimmt, aber trotzdem nicht richtig ist, wenn man noch etwas als Kriterium dazu tut:
"Die CB1100EX kann vieles, aber nix perfekt" AUSSER EINER SACHE: Die guten alten Zeiten gefühlstechnisch hochholen! Und das kann sie wie keine andere.
Also mein Standpunkt: Als Techniker und Tüftler kann ich die Frage verstehen, wie schnell ein abgeriegeltes Ding wirklich läuft (hier würde ich aber für Tüftelein eine abgesperrte Teststrecke oder ein paar Opendays auf einer Rennstrecke vorschlagen, um bei einem fehlerhaften Signal des ABS (und das wurde hier zu Beginn umgangen und nicht wegcodiert) nicht mit 190 den heissersehnten Urlaub einer Familie auf der Autobahn in ein Horrorszenario zu verwandeln).
Zusätzlich: Kein Hersteller baut "ein" Fahrzeug für die ganze Welt (da gibts hübsche Variantencodierungen, die in Japan sagen: "Tempo 180 ist genug", und für D: "Full fire" zB; aber nur wenn Sales sagt: Codieren, weil in 80% der Länder kein Rüsseltier die Maschine kauft, wenn die nur 180 läuft; im Falle der CB1100 war die Salesaussage -mMn- eine andere: Investiert in der Entwicklung lieber ein paar Yen mehr in die Speichenfelgen, als dass die Mühle schneller als 180 geht, weil die, die wir damit ansprechen wollen, kaufen die trotzdem... Und Recht hatten sie...
LG,
Gregor